Gelungene Bürger-Information gegen die L93n
„Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten“. Dieser Satz eines Teilnehmers könnte über der Veranstaltung der Bürgerinitiative Stoppt L93n! am vergangenen Sonntag im Vereinsheim 2013 e.V. Büsdorf stehen. Die durch Johannes Baldur aus Köln moderierte Doppelveranstaltung stieß auf großes Interesse und war mit rund 100 Teilnehmern sehr gut besucht. Ein Live Videostream von Markus Wipperfürth erreichte bis zu 600 weitere Menschen. Ein großer Teil der Bürger:innen vor Ort nahm das Angebot wahr, nach dem Vortrag an Thementischen zu Verkehr, Umwelt und Naherholung, Ortsdurchfahrten sowie alternativem Strukturwandel weitere Fragen zu stellen und zu diskutieren.
„Mein Eindruck ist, dass wir die Menschen mit unserem faktenbasierten und anschaulichen Vortrag sehr gut erreicht und überzeugt haben“, so Petra Schiffarth, Sprecherin der BI und Hauptrednerin, die für ihren souveränen Vortrag viel Anerkennung erhielt.
Versiegelung und Verlust von Böden, Lärm, Verschmutzung von Luft und Wasser, Biotopzerschneidung und Kostenexplosion waren nur einige der angesprochenen Auswirkungen. Anhand einer geplanten sechsspurigen Kreuzung der L93n mit der K20 zwischen Stommeln und Ingendorf verdeutlichte die Bürgerinitiative eindrucksvoll ihre Ansicht, dass dieses Projekt den Titel „Ortsumgehung“ zu Unrecht trage. Es handele sich vielmehr um eine übergeordnete Infrastrukturmaßnahme zum Anschluss neuer Gewerbegebiete, für die in unserer weiteren Region 1.295 ha Flächen vorgesehen seien. Neue Straßen würden transportintensivem Gewerbe wie Logistikern, das viel Fläche verbrauche und viel LKW-Verkehr produziere und dabei kaum Arbeitsplätze schaffe, den Weg ebnen.
Ein Ziel der Veranstaltung war es, deutlich zu machen, dass für die Straße noch lange kein Baurecht im Sinne eines Planfeststellungsbeschlusses besteht und ein breiter Widerstand der Bevölkerung gegenüber der Politik das Projekt noch verhindern kann. „Statt Resignation brauchen wir Engagement. Dann kann auch der Verkehrsminister handeln“, so Frau Schiffarth. Andere Bürgerinitiativen in NRW hätten gezeigt, dass es möglich sei, auch langjährig geplante, hoch priorisierte Projekte zu stoppen. „Unser erstes Ziel ist es, die L93n zu verhindern, ein vollkommen aus der Zeit gefallenes Projekt, das unsere Orte stärker belasten würde als es sie entlastet. Darüber hinaus möchten wir aus der Bürgerschaft heraus Lösungsvorschläge für Probleme in unseren Orten und Alternativen für den anstehenden Strukturwandel entwickeln, die die Politik dann hoffentlich aufgreift. Dafür war das heute ein gelungener Auftakt.“
Die Bürgerinitiative regte an, die bestehenden RWE-Werksbahnen zum Kernstück eines nachhaltigen Strukturwandels zu machen und sie nicht nur für die Anbindung von Gewerbe, sondern auch für den Personenverkehr zu nutzen. „Die Werksbahnen sind eine positive Hinterlassenschaft von RWE. Durch sie ist unsere Region so gut durch Schienen mit anderen Regionen im Kölner Umland verbunden wie keine Gegend sonst. Wir fordern daher ein Pilotprojekt schienengebundene Gewerbegebiete, um diesen Schatz zu nutzen.“
Ein weiterer, natürlicher Schatz, den es unbedingt zu schützen gelte, sind laut BI die lösshaltigen Ackerböden, die größenteils mehr als 90 Bodenpunkte haben und zu den besten in ganz Deutschland zählen. Christoph Darfeld, Experte der Bürgerinitiative für das Thema Verkehr und selbst Landwirt, lieferte ein Plädoyer für die Bewahrung der Ackerflächen, die schon seit Jahrhunderten von den Familien der Landwirte bewirtschaftet und bewahrt würden. “Fläche, die einmal versiegelt wurde, wird nie wieder ein Acker. Wir wollen diese Böden an unsere Kinder weitergeben.” Die Aussage, „Wer regionale Produkte essen will, muss unser Ackerland schützen“, erntete großen Beifall und wurde durch einen „Gabentisch“ mit Äpfeln, Kartoffeln und Weizen untermauert.
Stadträte der Fraktionen CDU, SPD und Grüne aus Bergheim und Pulheim, sowie der Kreistagsabgeordnete Timm (SPD) und die Landtagsabgeordnete von Marenholtz (Grüne) waren anwesend, um sich über die Standpunkte der BI zu informieren. Der Vortrag schien auch Elisabeth Hülsewig, Stadträtin für Fliesteden und Büsdorf und Fürsprecherin der Straße, zu überzeugen, die an vielen Stellen in den spontanen Beifall des Publikums einfiel. Der Büsdorfer Ortsbürgermeister Georg Linzbach (CDU) begründete auf der Veranstaltung seinen Wandel vom Befürworter zu einem entschiedenen Gegner des Projekts L93n und forderte in einem Appell an seine CDU-Kollegen Respekt für seine von der Fraktionsmeinung abweichende Haltung ein.
„Die positiven Rückmeldungen der Besucher bestärken uns darin, dass unser Protest gegen die Straße und die Forderung nach Alternativen für den Strukturwandel in unserer Region hohe Resonanz in der Bevölkerung haben“, so Frau Schiffarth. Viele Teilnehmende waren überrascht über die wahre Dimension und die dargestellten negativen Auswirkungen der Straße. „Wir werden daher weitere Veranstaltungen in anderen Orten durchführen. Insbesondere die Bürger in Oberaußem müssen dafür sensibilisiert werden, dass die bereits genehmigte K22n von Oberaußem nach Kenten erst durch den Bau der L93n ihre prognostizierte Verkehrslast von >20.000 Fahrzeugen/Tag erreichen wird. Das wäre der Verkehrskollaps für Oberaußem und wird zum Vorwand für Forderungen nach weiteren Straßen werden.“ Die Befürchtung der BI, dass die K22n mit der L93n eine mautfreie Transitstrecke für LKW von der A57 (Worringen) bzw. A1 (Bocklemünd) zur A61 (Bergheim-Süd) bildet, wurde nachvollziehbar begründet. Die Anfang 2024 erfolgte Verdoppelung der LKW-Maut macht dieses Szenario noch wahrscheinlicher. Statt neue Straßen zu bauen, solle man die bestehenden sanieren und die Verkehrswende angehen. Etwa indem die Planungen für eine Verlängerung der Stadtbahn bis Niederaußem – wie sie im Masterplan Mobilität der Stadt Bergheim vorgeschlagen wird – vorantreiben, so Wolfgang Ferber, der den Thementisch zum Strukturwandel betreute.
Wer die Veranstaltung verpasst hat, kann den Video-Mitschnitt der Veranstaltung sowie die gezeigten Folien auf der Homepage der Bürgerinitiative unter www.stop-l93n.de ansehen. Dort werden auch künftige Bürgerinfo-Veranstaltungen oder Workshops angekündigt. Auf der Website findet sich auch der Link zur Online-Petition gegen die L93n. „Ich danke allen, die diese Veranstaltung möglich gemacht haben und freue mich, auf künftigen Veranstaltungen mit vielen weiteren Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen“, so Frau Schiffarth zum Abschied.